07. Mai 2025
Gerda Fassel, Professorin
für Bildhauerei an der Universität für angewandte Kunst Wien von 1996 bis 2006, verstarb am 6. Mai 2025 im Alter von 83 Jahren
in Wien. Die Angewandte trauert um eine herausragende Künstlerin und hingebungsvolle Lehrende.
Geboren
am 14. August 1941 in Wien wuchs Gerda Fassel in der Kleingasse auf: „Trat man aus dem Haus, war zur Rechten die Gründerzeit,
zur Linken ein Dorf: Alt-Erdberg. Ländlicher Charme inmitten der Großstadt“, wie sich Fassel 2006 in ihrem autobiografischen
Text
„Im Schatten der Gärten“ erinnert. „(…) an manchen Tagen aquarellierten mehrere Künstler gleichzeitig die malerischen
Häuserzeilen. So war mein täglicher Schulweg Verzauberung en suite.“ In der Nachbarschaft Wäschereien und Branntweiner,
Fuhrwerker und Fiakerdynastien.
Einem vermeintlichen Fiaker aus der Kindheitsnachbarschaft – erkenntlich
durch den „schmalkrempigen kleinen Stutzerhut“ und die kalt gerauchte Virginia – begegnet die junge Gerda Fassel Jahre später
als Studienanfängerin in den Künsten an der Angewandten wieder. Sie fragte „
was denn ein Fiaker auf einer Kunstakademie
zu tun haben könnte? Wieso Fiaker, das ist der Leinfellner! Der war mir ein Begriff gewesen, sein Aussehen bis dahin nicht.“ Fassel geht mit Anfang 20 in die USA, wo sie an der Art Student’s League in New York studiert, 1964 an den Demonstrationen
mit Martin Luther King in St. Augustine teilnimmt und an der Atlantikküste, in Ormond Beach lebt, wo sie durch die Vertreter*innen
des abstrakten Expressionismus und den Jazz – insbesondere durch Bill und Ellaine Evans– entscheidende Impulse für ihre künstlerische
Entwicklung erfuhr:
„Meine Begegnung mit Ellaine war ein einschneidendes Ereignis von großer Nachhaltigkeit. Ich verdanke
ihr viel. Sie ist gewissermaßen die Schlüsselfigur in meinem Leben für die Kunst: Ich malte Ellaine; sie aber favorisierte
das dreidimensionale Bild und ermunterte mich beharrlich zu einem Versuch. Ja, ich hegte Ressentiments gegen die Bildhauerei,
diese Leichenfledderei, und es war ihrer überzeugenden Vorliebe zuzuschreiben, dass ich diese trotzdem studieren sollte. Ein
Versuch hatte nämlich genügt, um meine neugierige Seele in Unruhe zu versetzen.“ Zurück in Wien holt
Gerda Fassel die Matura nach und studiert an der damaligen Akademie für angewandte Kunst in der Klasse Bildhauerei zunächst
bei Hans Knesl und dann bei Wander Bertoni. Fassel wird zeitlebens ausschließlich in Bronze arbeiten:
„In der Bronze habe
ich das ideale Material gefunden. Dieses Metall eignet sich am besten für die Manifestationen meiner ,Recherche‘ bezüglich
des Menschenbildes in unserer Zeit. Mit Material arbeiten heißt, Kopf und Hand einsetzen. Das ist Bildhauerei. Eine Arbeit
so alt wie die Menschheit.“ Im Zentrum der Arbeit von Gerda Fassel steht die weibliche Figur – sie erschafft
voluminöse Frauengestalten, oftmals als Torsi, die sich in den Raum ausdehnen und eine markante Körperpräsenz entwickeln.
Ihre massiven Frauenplastiken, die Stärke und Fragilität zugleich vermitteln, benennt Fassel im Titel einer ihrer Ausstellungen
selbst als „Weibstrümmer“ – sie schuf damit zeitlose Gegenentwürfe zu gesellschaftlichen Stereotypien und visionäre Körperdarstellungen.
Eines ihrer berühmtesten Werke im öffentlichen Raum ist jedoch die Büste
Ernesto Che Guevara im Donaupark
in Wien – ein dezidierter Gegenentwurf zum ikonischen, hochkommerzialisierten Che-Guevara-Bild. Für ihr Werk wird Gerda Fassel
bereits 1982 der Preis der Stadt Wien zuerkannt, 2001 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.
In Nachfolge von Alfred Hrdlicka kehrt Gerda Fassel 1996 als Gastprofessorin an die Angewandte zurück, 1998
übernimmt sie dort das Ordinariat für Bildhauerei, das sie bis zu ihrer Pensionierung 2006 ausübt.
Gerda
Fassel verstarb am 6. Mai 2025 im Alter von 83 Jahren in Wien. Die Universität für angewandte Kunst Wien trauert um eine herausragende
Künstlerin und geschätzte ehemalige Kollegin – um eine hingebungsvolle Professorin, die als Vermittlerin zwischen den Generationen
die österreichische Bildhauerei maßgeblich geprägt und mit großem Einsatz für ihre Studierenden unterrichtet hat.
(Isabella Pohl)
Quelle: Ulrike Jenni (Hg.) Gerda Fassel: Texte zur bildenden
Kunst, Edition Angewandte, Wien 2010